Bei Auswärtsaufgaben bringt man ja gerne mal drei Punkte mit nach Hause, bei Turnieren auch einen schönen Pokal. Im Jahr 1969 wandelte der EV Füssen aber auf ganz anderen Pfaden, denn er hatte Tierfelle, Masken und Schnitzereien in seinem Gepäck. Grund war eine für einen Eishockeyverein doch eher ungewöhnliche Reise nach Südafrika.
Wie war es zu dieser selbst in der langen Geschichte des Füssener Eissports einmaligen Begebenheit gekommen? Nun, EVF-Stürmer Heinz Weisenbach entschloss sich nach einer Lungenverletzung für einen Wechsel nach Johannesburg und spielte dort ein halbes Jahr lang Eishockey in einem anderen Klima. Für ein Pokalturnier Anfang September stellte er den Kontakt zu seinem Heimatverein her. Die Füssener hatten als amtierender deutscher Meister eigentlich zu diesem Zeitpunkt ein Trainingslager in Rumänien geplant, nachdem an dem Turnier aber auch die starken europäischen Teams IFK Helsinki und La Chaux de Fonds teilnehmen sollten, sagten sie für Südafrika zu.
Es wurde eine von Beginn an unvergessliche Reise für die Allgäuer und übertraf von den Eindrücken her noch die vier Jahre zuvor durchgeführte Kanada-Tournee. „Trainingslager bei Löwen und Elefanten“ titelte die heimische Presse, doch der sportliche Wert hielt sich in Grenzen. Trainer Vladimir Bouzek bemerkte sogar, dass anstatt der angedachten Vorbereitung für die anstehende Punktrunde das Eishockey nur eine untergeordnete Rolle spielte. Die anderen Europäer hatten abgesagt, so dass für den EVF nur vier Spiele gegen heimische Vertretungen auf dem Plan standen. Die pflegten hauptsächlich hartes Körperspiel, dazu passend wurde auf der ungewohnten kleinen Eisfläche mit nordamerikanischen Abmessungen gespielt.
Am 31. August ging die Reise los, über Frankfurt, Athen und Nairobi kamen die zwanzig Füssener Spieler plus Offizielle nach rund 10.000 zurückgelegten Kilometern schließlich in Johannesburg an. Dort unterlag man einer Allstar-Auswahl zu Beginn mit 3:4. Nicht nur dieser Gegner bestand hauptsächlich aus Auswanderern aus Europa und Nordamerika, so dass selbst ein einheimischer Journalist bemerkte, dass man die South African Allstars eigentlich nicht als Südafrikaner bezeichnen kann. Es folgten mit einem 7:4 gegen die G.E. Flyers und einem 6:4 gegen die All Canadians zwei Siege, ehe man sich zum Abschluss von den aus Schweizer Auswanderern bestehenden Hot Point Bears mit einem 6:6-Unentschieden trennte. Mit dem Turniersieg wurde es so nichts, aber allgemeiner Tenor war, dass der beste Füssener Akteur sowieso der Gustav Hanig gewesen sei. Der Nationalspieler trat die Reise leicht verletzt an und fungierte souverän als Schiedsrichter in den vier Partien.
Die eigentlichen Höhepunkte lagen aber sowieso fernab des Eises. Die Füssener folgten einer Einladung einer Tölzer Familie an den Vaal-River zum Wasserski, besuchten eine Schlangenfarm, eine Diamanten-Mine und Stammestänze. Auch ein Besuch beim deutschen Botschafter stand auf dem Programm. Zum Abschluss ging es dann noch zu einer zweitägigen Fahrt durch den berühmten Krüger Nationalpark, der die nachhaltigsten Eindrücke bei den Ostallgäuern hinterließ.
Nach der Traumreise, welche dann doch eher den Charakter eines Urlaubs hatte, ging es zurück in die Heimat. Am 16. September war die Expedition wieder in Füssen, neben vielen Erinnerungen mit Souvenirs aller Art im Gepäck. So erfreute sich Professor Bouzek an einer neu erworbenen Buschtrommel. Den richtigen Takt konnte er seiner Mannschaft damit aber nicht vorgeben, in der kurz darauf startenden Bundesliga-Saison 1969/70 belegte der Eissportverein diesmal nur den vierten Platz. Dennoch war Südafrika für die Spieler eine Reise wert. (MiL)