Wenn Sport und Beruf in Einklang sind

Jun 27, 2020 | 1.Mannschaft

Auf dem Eis ist Quirin Stocker einer, der gern auch mal härter zupackt. Ein robuster Spieler eben, der seine Gegner schon mal unsanft in die Bande checkt. Als Verteidiger beim Eishockey-Oberligisten EV Füssen wird genau das auch von ihm erwartet. Beruflich aber kommt der 23-Jährige ganz anders daher: Im adretten dunkelblauen Anzug, weißes Hemd, sitzt er hinter seinem Schreibtisch im Autohaus Heuberger in Füssen. In der lichtdurchfluteten Verkaufshalle steht ein neuer Volkswagen neben dem anderen. Stockers Job ist sie an den Mann oder die Frau zu bringen. „Menschlich überzeugen“ müsse ein Verkäufer in seinem Unternehmen, sagt Firmenchef Reiner Heuberger. Und da seien mitunter andere Qualitäten gefragt als im doch recht ruppigen Eishockey-Geschäft, wo Spieler schon mal wüste Wörter wechseln und nicht gerade zimperlich zu Werke gehen. Im Autogeschäft käme es darauf an, sich ein Netzwerk an Kunden aufzubauen, Vertrauen zu schaffen, zuvorkommend zu sein“, sagt Heuberger.

Bislang, bekräftigt der Chef, bekomme Stocker den Spagat zwischen rauer Spielweise auf dem Eis und Kundenfreundlichkeit im Berufsleben sehr gut hin. Noch ein paar Monate, dann hat Stocker die Fortbildung zum zertifizierten Volkswagen Automobilverkäufer in der Tasche. Ganz klar, dass er da auch dem Verein die Treue hält, der ihm vor über einem Jahr die Arbeitsstelle vermittelt hat: dem EV Füssen. „Die Kombination aus Sport und Beruf hat für mich den Ausschlag gegeben, hierher zu wechseln“, sagt Stocker. Vom Profigeschäft hat sich der ehemalige U18-Nationalspieler verabschiedet – auch wegen vieler Verletzungen. Selbst ein Engagement in der DEL2 war nicht mehr in Frage gekommen. „Das war keine Option, weil es da noch schwerer geworden wäre, beruflich Fuß zu fassen“, erzählt der 23-Jährige. Und so fiel die Wahl vor rund einem Jahr auf Füssen. Der Verein vermittelte Wohnung und Arbeitsstelle. „Das ist gewissermaßen ein Musterbeispiel, wie es laufen sollte“, sagt EVF-Vorsitzender Markus Kehle. Er war früher selbst Erstligaprofi und weiß, wie wichtig es ist, für die Zeit nach dem Sport vorzusorgen. „Wir können uns als Verein kaum Profis leisten und müssen versuchen, über die Kombination aus Eishockey und Arbeitsstelle Spieler zu uns zu holen“, erklärt der Vereinschef.

Im Fall von Stocker zahlt sich das für den EVF mindestens noch ein weiteres Jahr aus. Denn der gebürtige Münchner hat seinen Vertrag um ein weiteres Jahr verlängert. Auch weil sein Arbeitgeber dem Sport gegenüber sehr kulant ist. Ihn etwa für Trainings oder längere Auswärtsfahrten früher ziehen lässt. „Dafür bekommt er Freiräume“, sagt Heuberger, macht aber auch klar, dass dies nur in Verbindung mit einem „langen Atem“ und „Durchhaltevermögen“ im Job funktioniert. Letztlich wird ein Verkäufer nämlich auch in seinem Unternehmen an den Abschlüssen gemessen. „Seine Eishockey-Leistung in allen Ehren“, sagt der Firmenchef.

Bislang harmoniert es in der Dreiecksbeziehung Stocker – EVF – Heuberger sehr gut. „Wichtig ist vor allen Dinge eine gewisse mentale Stärke“, sagt Stocker. Gerade nach langen Auswärtsfahrten wie beispielsweise in der vergangenen Saison an einem Sonntag nach Selb (Oberfranken) komme es genau darauf an. In jener Nacht kam der 23-Jährige nämlich erst um kurz nach 4 Uhr nachts in Füssen an, vier Stunden später saß er bereits wieder an seinem Schreibtisch. „Da muss man dann im Kopf schon auf der Höhe sein“, sagt Stocker. Sein Geheimtipp: Sich zwischendurch richtig erholen. Das macht er im Sommer am liebsten in der Natur – beim Fahrradfahren oder in den Bergen zum Beispiel.

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